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Ich war neugierig: Kann man mit diesem „neumodischen Krams“ wirklich mit seinen Pferden arbeiten? Unser Testurteil gleich vorweg: Man kann! Und das sogar hervorragend!

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Aber fangen wir von vorn an: Die Internetseite des Tüftlers aus Roth (bei Nürnberg) ist übersichtlich aufgebaut, schnell findet man sich zurecht. Aber wie immer im Leben: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Welche Hindernisse sind für unsere Zwecke sinnvoll? Was benötige ich für eine Grundausstattung und vor allem: Was möchte ich mit den Hindernissen erreichen? Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind, denn man möchte ja möglichst viele Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Farben (blau und gelb) weisen auf Dualaktivierung hin, die roten Stangen und orangenen Pylonen sagen mir aber, dass Dualaktivierung nicht alles ist und ich mit weiß, rot und hellblau viel Farbe in die Bodenarbeit bringen kann …

flex-ks2Wir machen Nägel mit Köpfen: Es soll eine Cavalettireihe werden, zwei Flex-Bäume, ein Wassergraben und ein Tor. Damit kann man schon sehr viel machen, denn in Einzelteile zerlegt ist alles vielseitig nutzbar:

Die Cavalettireihe besteht aus 3 Stangen und 6 Pylonen. Diese Pylonen haben je 3 Löcher in unterschiedlicher Höhe, in die man die Stangen einsetzen kann. Die Masterpylonen sind 50 cm hoch, mit einem Adapter aus Schaumstoff kann man sogar auf ca. 57 cm erhöhen.

Das Tor besteht aus 3 Stangen und 2 besonders schweren Pylonen damit es nicht so schnell umkippt und die Flexbäume sind (zumindest für uns) die Sahnestücke: Zwei Flex-Stangen in 2,80 m Länge und sieben Stege in 1,0 m Länge. Dazu noch ein Wasser­einlegebecken für den Flex-Baum, um einen Wasserdurchritt zu trainieren.

Das Bestellte wurde in großen Kartons geliefert. Mein Wallach war „Feuer und Flamme“: Welch schöne Kisten? Was kann man damit machen? Er untersuchte sie von außen genau und hätte am liebsten selbst ausgepackt. Mit den Hufen kickte er die aufrechtstehenden Ungetüme um und drückte dann seine Nase an der Pappe platt. Leider hatte ich meinen Fotoapparat nicht griffbereit, denn ich wollte ja eigentlich nur die Kisten abstellen.

Die Produkte haben einen enormen Vorteil im Gegensatz zu herkömmlichen Hindernissen für die Bodenarbeit: Die Stangen bestehen aus einem Schaumstoffkern und sind mit einer LKW-Plane umhüllt, so dass sie relativ leicht sind. Die Flex-Stangen sind rechteckig, können also nicht wegrollen, wenn die Pferde einmal gegenschlagen sollten. Zwar sind die Springstangen für die Cavalettis rund (sie können auch in handelsübliche Auflagen der Springständer aufgelegt werden), bieten aber durch das nachgiebige Material kaum Verletzungsrisiken, denn selbst wenn die Stange zwischen die Vorderbeine geraten sollte, so knickt sie einfach ab.

Der erste Aufbau war schnell gemacht – und die Ideen sprudelten nur so hervor: „Wollen wir zwischen M und F die Cavaletties hinstellen, bei E die Flexbäume und bei C das Tor? Gesagt getan. Während des Aufbaus, die Stangen, Stege, Hütchen und der Wassergraben lagen unsortiert auf dem Platz, latschte der neugierige Wallach mittendurch. Hätten wir Holzstangen, hätte ich Schweiß auf der Stirn gehabt: Zu leicht könnte etwas passieren. So war aber alles im grünen Bereich und schon beim Aufbau hatten wir  viel Spaß, denn die Hindernisse waren leicht und konnten schnell an Ort und Stelle werden. Wir ergänzten den Parcours um eine rosa Luftmatratze, um Kunststoffstangen, die wir zu einem L gelegt hatten und weitere Hütchen, die wir zu einer Slalomreihe aufbauten.

Was für ein Heidenspaß hatten wir und unsere Pferde, als wir ihnen alles zeigten: Zu dritt bei der Bodenarbeit kamen wir uns nicht ins Gehege, denn jeder konnte sich an einem anderen Hindernis üben. Ob geführt oder geritten – je nach Lust und Möglichkeiten wurde gespielt. Spielen? Naja, muss ja auch mal sein. Aber ohne ein spezielles Ziel kann es auf die Dauer langweilig werden. Was also als nächstes?

Dualaktivierung (DA)!

Mit Birke Zippel aus Buchholz konnten wir eine engagierte und erfahrene Dualaktivierungstrainerin gewinnen, die uns die Grundlagen dieser Arbeitsmethode näher brachte. Zuerst durch die sehr interessante (und nicht trockene!) Theorie. Birke überreichte jedem eine ausführliche Mappe, in der Informationen zu den Grundvoraussetzungen, dem Umgang mit dem Pferd, über das Führen und die Bodenarbeit mit der Fahne und das Longieren ausführlich dargestellt wurden. 12 Tafeln mit Übungen, einschließlich textlicher und bildlicher Beschreibungen, ergänzten die Unterlagen.

Im Anschluss erwartete uns eine praktische Vorführung der Dualaktivierung: Ingrid Beckers polnische Stute Panja, 23 Jahre alt, wird seit 2 Jahren mehr oder weniger regelmäßig in der DA gearbeitet und hat seitdem kontinuierlich ihre über lange Jahre vernachlässigte Muskulatur stetig verbessern können und vor allem auch die vorher schlurfende Hinterhand wieder deutlich mehr einzusetzen gelernt. Birke zeigte uns mit ihr, worauf es bei der Longenarbeit ankommt.

Tunica, englisches Vollblut, 12 Jahre alt, ist aktiv Rennen gelaufen, hatte dann extreme Verletzungsprobleme und kann nur langsam wieder auftrainiert werden. Bei ihr sind vor allem die Fortschritte im mentalen Bereich bemerkenswert, da sie immer mehr zur Ruhe kommt und offenbar das Bewusstsein über den eigenen Körper entwickelt, das sie viel sicherer und kontrollierbarer in der täglichen Arbeit macht. Claudia Engelbart übte mit ihr vom Boden aus.

Birke demonstrierte mit ihrer Stute Jacinta (Mecklenburger), 13 Jahre, die Arbeit mit dem Fähnchen und Frank Zippel ritt seinen 14-jährigen westfälischen Wallach Giorgio durch die Quadratvolte, eine 8 über ein aus Flex-Stangen gelegtes Dreieck und durch die Langgasse.

Der Pferdetrainer Mike Geitner, der die Dualaktivierung erst in Teilen wiederentdeckte und dann weiter ausbaute durch die Erkenntnisse aus dem Farbsehen der Pferde und des Rechts-Links-Reizes sagte dazu, es sei „Gehirngymnastik für Pferde“. Die Dualaktivierung unterstützt die Balance und Koordination des Pferdes, stärkt die Bauch- und Rückenmuskulatur und aktiviert die Hinterhand. Es ist reitweisen übergreifend und für jeden Ausbildungsstand geeignet.

Einige Tage später trafen wir uns auf unserer Anlage, denn wir wollten ja mit den Hindernissen, die wir zur Verfügung hatten, gezielt arbeiten.

Birke Zippel ging auf jeden von uns gesondert ein und leitete uns Einzeln an. Michaela Nohr begann mit ihrer Stute Nikita an der Hand. Erstes Führtraining klappte schon recht gut und Birke gab Michaela wertvolle Tipps. Die obligatorische Fähnchenarbeit sensibilisierte Nikita und Michaela lernte, mit dem Fähnchen vorsichtig zu arbeiten. Nun ging es ans Longieren: Das gut sitzende Halfter, die Longe, Handschuhe und eine Peitsche, mit der man das Pferd auch erreichen, kann ist die Grundausstattung. Aufgebaut waren eine Quadratvolte, bestehend aus Flex-Stangen, Stegen und Hütchen. Nikita sollte vorerst nur außen herum gehen und erst später durch die vier Gassen, die unterschiedlich zusammengestellt wurden: Eine Gasse aus den Flex-Stangen, die parallel zueinander lagen, eine Gasse aus einer Kombination aus Flex-Stegen und Pylonen,  dann folgte ein Dreieck aus 2 Flex-Stangen und Pylonen und die vierte Seite bestand ausschließlich aus einer Kegelgasse. Nikita sollte nun vorsichtig daran gewöhnt werden: Die Gassen wurden breit genug aufgebaut, so dass die New Forst Stute hindurch ging. Das Ziel: Innerhalb der Gasse ohne Anlehnung, denn das Pferd soll die Farbreize aufnehmen und umsetzen, außerhalb der Gassen Stellung geben.  Nikita machte ihre Sache gut. Michaela erhielt wertvolle Unterstützung, denn Birke Zippel stand nicht nur mit Rat zur Seite sondern auch mit Tat: Eine enorme Hilfe war es, wenn sie die Hand des Longierers führte und die Körperhaltung nicht nur verbal korrigierte.

Die nächste im Bunde war ich mit meinem unerschrockenen und manchmal töffeligem Eddy. Ich hatte lange kein Führtraining mit ihm absolviert und so musste ich erst einmal deutlich machen, an welcher Position er zu gehen hat. Die Fähnchenarbeit mit ihren beidseitigen Reizen klappte gut und ich habe das „auf-mich-zu-gehen“ probiert. Prima, ich war zufrieden. Als nächstes wollte ich unsere Flex-Produkte vom Sattel aus testen: Aufgebaut war noch die Quadratvolte und eigentlich sah es ganz einfach aus. Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich wohl doch lieber longiert… Die Gassen wurden für Eddy enger gelegt, da er keine Angst vor den Hindernissen hatte. Das hatte zur Folge, dass er es fast geschafft hätte, eine der Flex-Stangen komplett als „Schwebebalken“ zu nehmen. Er traf sie mehrfach mit seinen Hufen. Da es ja Schaumstoffmaterial ist, passierte ihm nichts! Außerdem ist die Ummantelung aus stabiler Plane und die Stange war nirgends beschädigt. Die nächste Runde klappte besser und wir trafen die Gasse und ritten hindurch. Aber nun kamen die Hütchen so plötzlich und Eddy „mangelte sie nieder“. Da auch sie aus flexiblem Material sind war es ungefährlich – ich mag gar nicht daran denken, wie es gewesen wäre, wenn es splitterndes Material gewesen wäre!

So langsam bekam ich meine Schenkel sortiert, denn ich durfte nur außerhalb der Gassen stellen und biegen und somit innerhalb der Gassen die Zügel nicht nutzen! Koordination ist gefragt, nicht nur vom Pferd. Es war super anstrengend aber zum Schluss hat es schon ganz gut geklappt. Als I-Tüpfelchen bauten wir den Flex-Baum auf: Eddy sollte über die Stege traben – und auch das machte er bestens. Das anfängliche touchieren war nicht weiter tragisch: Die Stege gaben nach und rutschten dann zurück in die Ausgangsposition, so dass keiner die Hindernisstangen neu ausrichten musste.

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Die nächste Teilnehmerin war Heike Blanke mit der 14-jährigen Saranja. Auch dieses Pferd wurde zu Beginn mit dem Fähnchen gearbeitet. Danach wurde sie an die Longe genommen.  Zuerst dachten wir, dass die grellen Farben der Flex-Stangen sie durcheinander bringen würden, es waren aber die Bremsen, die sie piesackten. Auch Heike erhielt wertvolle Hinweise von Birke und das Aufnehmen der Longe, welches wir zuvor schon ohne Pferd geübt hatten, klappte gut. Die Stute ging im Schritt und Trab durch Gassen, dann wurde etwas umgebaut: Wir legten die Schlaufen der Stege über die Pylonen und bauten so eine zusätzliche Übung, die Aufmerksamkeit noch weiter fördert, ein.  Bei der Stute hatte man das Gefühl, dass ihr diese Arbeit besonders viel Spaß gemacht hat.

Fazit: Mit den Flex-Stangen und -Stegen, den Hindernisstangen und den Pylonen kann man viel Farbe (alles nach Wunsch) in die Bodenarbeit bringen. Nicht nur die Dualaktivierung sondern auch der Aufbau eines Trailparcours, Führtraining und Bodenarbeit, Stangenarbeit im Schritt und Trab,  Springgymnastikreihen bis zu kleinere Sprünge ist sehr gut möglich. Das Verletzungsrisiko ist durch die Materialien äußerst gering.

Birke Zippel, die schon sehr lange mit den Produkten von Christian Schütz arbeitet, bestätige die langjährige Haltbarkeit. Wir hatten den Parcours auf dem Außenplatz aufgebaut und einigen Tagen Wind und Wetter ausgesetzt. Nach einer besonders stürmischen Nacht fanden wir das Tor umgekippt vor - allerdings hielt es „normalem Wind“ problemlos stand. Die aufgebauten Cavaletties ließen sich vom Wind überhaupt nicht beeindrucken.

Unser Urteil: Hübsch anzusehen durch die fröhlichen Farben, sinnvoll einsetzbar, geringstes Verletzungsrisiko und wetterfest. Ein Parcours kann durch die Möglichkeit der Einzelbestellungen auch mit einem kleineren Geldbeutel sukzessiv aufgebaut werden.